Double you see

Tief, immer tiefer dringen die Blicke vor. Bis zum Intimsten. Die sexuellen Schwerkräfte zwingen die Augen zu folgen. Unwiderstehlich: auf die öffentlichen Toiletten. Sie sind es, die der israelische Video-Künstler Oyo zum urbanen Beichtstuhl macht. Aus noch nie gezeigter Perspektive: delikat, drastisch und manchmal mit diabolischem Augenzwinkern. Wie von Geisterhand gibt seine Kamera Geheimnisse preis. Spiegelbilder auf dem öffentlichen WC – das „Double you see“ auf der Spülwasseroberfläche.

Seine Vorgehensweise umschreibt Oyo mit „Dibbuk“, einem Begriff aus der jüdischen Mystik des Mittelalters. Dort bezeichnet er einen Geist, der Menschen befällt und quält – bis einem Wunderrabbi die Austreibung gelingt. Als Enkel eines hochrangigen Rabbiners ist Oyo mit der Kabbala in Berührung gekommen. Und hat mit „Double you see“ eine beispiellose Form der Selbstbefreiung gefunden. Auf das Format einer Lokusbrille reduziert. Um aus solchem Blickfeld wahrzunehmen, hat der Wahl-Pariser mit Geburtsort Jerusalem vieles ausprobiert. Fünf Jahre kreative Vidoetechnik. „Das Licht ist mein Pinsel, meine Bilder radikal.“ So sein Leitmotiv. Bis heute gab es zwischen 200 und 300 Kurzfilme von ihm auf TV-Schirmen zu sehen. In aller Welt. Dennoch lehnt er Kompromisse ab. „Keine Filme im rechten Winkel“, lautet der Anspruch, den er an seine Arbeiten stellt. Oyos „Visual Art“ bricht mit den (seh)gewohnten Gestaltungsmitteln des Fernsehens und den virtuellen Welten der Unterhaltungsindustrie.

Wie eine Felsspitze aus den Tiefen eines Traums ragen seine Werke empor. Und stemmen sich gegen die Flut immer wahlloserer Bilder. Sieben Video-Installationen verwandeln die Sphäre des Privaten in eine visuellen Freiraum. Bewegt und animiert, totenstill oder lustvoll stöhnen teilen sich die Bilder im Kellergewölbe des Erotic Art Museums mit. Im Halbdunkel ihr Betrachter: ein Augenzeuge? Ein Voyeur. Oder ein Narziss? Antworten darauf gibt er keine. Bestenfalls multimediale Angebote. Die Sicht der Dinge hat der Betrachter selbst zu finden – bevor die „Bessenheit“ im Strudel der Spülung untergeht....